Veranstaltung: | 1. Landesmitgliederversammlung 2025, 22.-23.03.2025 in Flöha |
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Tagesordnungspunkt: | 5. V-Anträge |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesmitgliederversammlung |
Beschlossen am: | 23.03.2025 |
Antragshistorie: | Version 3 |
Sicherstellung und Verbesserung der medizinischen Versorgung von trans* Personen
Beschlusstext
Die medizinische Versorgung von trans Personen in Deutschland ist durch lange
Wartezeiten, hohe bürokratische Hürden und Unsicherheiten in der Kostenübernahme
weiterhin unzureichend. Die bevorstehende Einführung der 11. Version der
internationalen Krankheitsklassifikation (ICD-11) ist ein begrüßenswerter
Schritt, da Transgeschlechtlichkeit darin nicht mehr als Krankheit klassifiziert
wird. Das ist ein wichtiger Schritt, um Vorurteile und Diskriminierung
abzubauen. Gleichzeitig gibt es jedoch erhebliche Sorgen, dass mit dieser
Änderung eine Streichung der Krankenkassenleistungen für geschlechtsangleichende
Maßnahmen einhergehen könnte. Dies wäre für viele trans Personen fatal, da diese
Behandlungen medizinisch notwendig sind und in zahlreichen Fällen die psychische
und physische Gesundheit erheblich verbessern oder gar lebensrettend sein
können.
Daher fordern wir mit diesem Antrag nicht nur die Sicherstellung der bisherigen
Leistungen durch die Krankenkassen, sondern eine umfassende Verbesserung und
Ausweitung der Unterstützung für trans Personen, um eine diskriminierungsfreie
und bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung zu gewährleisten.
Forderungen
1. Sicherstellung und Erweiterung der Krankenkassenleistungen
Die vollständige Kostenübernahme für geschlechtsangleichende Maßnahmen muss auch
nach der Einführung des ICD-11 gesichert werden. Eine Streichung oder
Einschränkung dieser Leistungen durch die Krankenkassen darf nicht erfolgen.
Zudem müssen sie zuzahlungsfrei zur Verfügung gestellt werden.
Neben der bisherigen zuzahlungspflichtigen Kostenübernahme für Präparate zur
Hormonersatztherapie (HRT), geschlechtsangleichende Operationen, Nadelepilation
und logopädische Maßnahmen zur Stimmangleichung müssen auch weitere medizinisch
notwendige Maßnahmen abgesichert bleiben bzw. werden, darunter:
- Epilation: Neben der Nadelepilation soll die Laserepilation als bevorzugte
Methode zugelassen werden, da sie effizienter, kostengünstiger und weniger
belastend ist.
- Brustangleichung: Die Brustentfernung (Mastektomie) für afab-Personen muss
weiterhin ohne bürokratische Hürden übernommen werden. Eine
Brustvergrößerung (Mammaaugmentation) für amab-Personen ist zu
finanzieren, wenn durch Hormontherapie kein ausreichender Brustaufbau
erfolgt und dies zu erheblichem Leidensdruck führt.
- Entfernung der inneren Geschlechtsorgane: Unabhängig von weiteren
geschlechtsangleichenden Maßnahmen muss die Entfernung von Gebärmutter und
Eierstöcken (Hysterektomie, Ovarektomie) sowie der Hoden (Orchiektomie)
gewährleistet bleiben. Der Aufbau einer Neovagina oder eines Penis
(Phalloplastik oder Metoidioplastik) muss weiterhin ermöglicht werden.
- Gesichtsoperationen: Diese sind zu übernehmen, wenn eine Hormontherapie
keine ausreichenden Veränderungen bewirkt und eine erhebliche Diskrepanz
zwischen äußerem Erscheinungsbild und Geschlechtsidentität besteht.
2. Bürokratische Hürden abbauen
Das Verfahren zur Bewilligung geschlechtsangleichender Maßnahmen muss reformiert
werden, um die Zahl und Dauer der psychologischen Begutachtung zu reduzieren.
Außerdem ist die, von einigen Krankenkassen geforderte, unnötige
Doppelausstellung durch Psycholog*innen und Psychiater*innen abzuschaffen.
Generell wäre es sinnvoll den Prozess der geschlechtlichen Transitionen für alle
Krankenkassen einheitlich zu gestalten und eine zentrale Bildungs- und
Aufklärungsstelle zu schaffen, bei der Betroffene jederzeit Zugang zu gängigen
Behandlungsmethoden, Fristen, Antragsbeispielen und einer Liste an behandelten
Ärzt*innen haben.
Statt eines langwierigen Begutachtungsverfahrens soll zudem das Prinzip der
informierten Entscheidung gestärkt werden, sodass trans Personen mit ärztlicher
Beratung selbstbestimmt über ihre Behandlung entscheiden können. Gleichzeitig
sollen psychotherapeutische Gespräche erhalten bleiben, um Komorbiditäten wie
schwere psychische Erkrankungen (z. B. bipolare Störungen) zu erkennen und
sicherzustellen, dass die Entscheidung für geschlechtsangleichende Maßnahmen auf
einer stabilen Grundlage getroffen wird.
3. Deutliche Reduzierung der Wartezeiten auf geschlechtsangleichende
Behandlungen
Der Mangel an spezialisierten Ärzt*innen, Therapeut*innen und Chirurg*innen
führt aktuell zu unzumutbaren Wartezeiten, die sich über mehrere Monate ziehen
können.
Wir fordern deshalb:
- Eine staatlich geförderte Ausbildung und finanzielle Unterstützung für
Mediziner*innen, die sich auf die Behandlung trans Personen
spezialisieren, um langfristig mehr Behandlungsangebote zu schaffen.
- Modellprojekte und Schwerpunktkliniken für die Versorgung von trans
Personen sollten finanziell unterstützt werden, um die medizinische
Infrastruktur für geschlechtsangleichende Maßnahmen auszubauen.
4. Reduzierung der Wartezeiten für geschlechtsangleichende Operationen
Die aktuelle Mindestwartezeit für geschlechtsangleichende Operationen beträgt in
der Regel 12 Monate. Da es jedoch keine einheitlichen Richtlinien gibt, führen
Chirurg*innen solche Eingriffe meist erst nach einer mindestens einjährigen
Hormontherapie und einer Vielzahl psychologischer Sitzungen durch. Diese
Wartezeit stellt für viele Betroffene eine erhebliche psychische Belastung dar.
- Wir fordern eine deutliche Reduzierung der Wartezeiten durch effizientere
Verwaltungsprozesse und eine bedarfsgerechte Prüfung anstelle pauschaler
Fristen.
- Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen sollten in ihrer Entscheidungshoheit
gestärkt werden, um individuell kürzere Zeiträume zu ermöglichen, wenn
medizinisch nichts gegen eine frühere Operation spricht.
5. Regelmäßige Blutuntersuchungen gewährleisten
Viele trans Personen erhalten derzeit keine regelmäßigen Blutuntersuchungen,
obwohl diese für die sichere Durchführung einer Hormontherapie essenziell sind.
Hormonwerte sowie Leber- und Nierenwerte sollten mindestens quartalsweise
überprüft werden, um gesundheitliche Risiken frühzeitig zu erkennen.
Zudem fordern wir, dass trans Personen mindestens zweimal im Jahr eine
vollständige Blutuntersuchung garantiert wird, mit dem Ziel, die empfohlene
quartalsweise Kontrolle langfristig sicherzustellen.
6. Einrichtung eines Entschädigungsfonds für trans Personen
Viele trans Personen mussten in der Vergangenheit aufgrund restriktiver
Regelungen oder fehlender Krankenkassenleistungen hohe Eigenkosten für
notwendige Behandlungen tragen. Ein staatlicher Entschädigungsfonds soll
Personen unterstützen, die nachweislich durch frühere Gesetzeslagen oder
bürokratische Hürden erhebliche finanzielle Belastungen hatten oder durch
behördliche Stellen diskriminiert wurden.
Fazit
Trans Menschen haben ein Recht auf eine bedarfsgerechte, diskriminierungsfreie
und medizinisch angemessene Gesundheitsversorgung. Eine Verschlechterung der
bestehenden Krankenkassenleistungen im Zuge der Einführung des ICD-11 darf unter
keinen Umständen erfolgen. Vielmehr müssen bestehende Hürden abgebaut und die
medizinische Versorgung umfassend verbessert werden.
Wir fordern daher die Bundesregierung, die Krankenkassen sowie alle zuständigen
Institutionen auf, die genannten Maßnahmen umzusetzen, um trans Personen den
notwendigen Zugang zu medizinischen Leistungen zu garantieren.
Ein herzlicher Dank für das ausführliche Feedback und die wertvolle
Unterstützung bei diesem Antrag gilt Lena, Luca und Robin vom Gerede e.V. in
Dresden.